Darum geht’s

Hier wird eine Arbeitsplatztausch-Plattform entstehen – für Journalist:innen im Überregionalen und Regionalen, für Kolleg:innen von Radio, TV, Print und Online: zwischen Ost und West.

Biete drei Wochen „Stern“, biete zwei Wochen, zwei Monate Freie Presse, SWR, Dresdner Neueste Nachrichten, Badische Neueste Nachrichten
– suche zwei Wochen, zwei Monate, drei Wochen Super-Illu, MDR-Thüringen, Rheinpfalz, WDR2, Märkische Oderzeitung. Ein Prinzip bekannt von Kleinanzeigen und Betten- und Zimmerbörsen.

Darum geht’s hier auf der Seite von ostwestnordsuedx.
Aber auch im begleitenden Newsletter ownsx, der alle 14 Tage montags erscheint.

(Der eigentliche physische Austausch lag nun wegen Corona auf Eis; aber im Hintergrund laufen derzeit neue Dinge für den Austausch, ich halte Sie hier auf dem Laufenden.)

Für den Austausch mit Kolleg:innen in Ost-West-Nord-Süd können Sie sich hier eintragen – und wenn daraus erst einmal Gastbeiträge zwischen Redaktionen entstehen.

Aber eigentlich, dahinter, geht es:

Um das hier:
Ein Text über die Geschichte von Frauenrechten in Deutschland – ohne die DDR-Seite mitzuerzählen. Berichte über die Einführung der Masernimpfung in Deutschland – ohne zu erwähnen, wann man damit in der DDR begann (1970). Eine Feuilletondebatte über rassistische Sprache in Kinder- und Jugendbüchern – ohne in Betracht zu ziehen, dass die Werke von Otfried Preußler und größtenteils auch Astrid Lindgren bis 1989 nur in Westdeutschland zum Kanon gehörten.

Und das hier:
„Wir sind echt spät dran“, sagte Zeit-Ost-Korrespondent Martin Machowecz am Abend der Landtagswahl in Brandenburg und Sachsen in der Runde bei Anne Will: 28 Jahre habe man gar nicht darüber geredet, warum sich so viele Ostdeutsche „abgehängt“ und nicht „als Teil der Diskurse“ fühlten. Will hakte nach, „die Ostdeutschen“, damit bürste man doch alle über einen Kamm, oder?

Auch um das hier:
Wie verbreitet der Blick ist, den Will zitiert, zeigt eine Analyse des Kommunikationsforschers Johannes Hillje auf Zeit Online, der feststellte, dass der Begriff „Ostdeutschland“ in den letzten fünf Jahren mehr als zweimal so oft (knapp 104.000) in deutschen Medien auftauchte wie „Westdeutschland“ (knapp 50.000): „Dieses geografische Framing der politischen Berichterstattung reproduziert ein Stück weit die Teilung des Landes. Und zwar jeden Tag aufs Neue“, stellt Hillje fest und diagnostiziert bei der Berichterstattung „Ostalismus“. Dazu die eindimensional negativ konnotierte Berichterstattung über “Ostdeutschland” – laut einer MDR-Studie von 2019 ab 2004 mehrheitlich in Verbindung mit dem Begriff “Armut”, aktuell mit “abgehängt”.

Und das:
Die Debatte um ein jüngeres Spiegel-Cover, ein Anglerhut in schwarz-rot-gold, Schlagzeile: “So isser, der Ossi”, ein Verweis auf den “Hutbürger” (Sommer 2018, Demonstration in Dresden, ZDF-Drehverbot, man erinnert sich). Und der Kommentar zur Debatte, hinterher: “Wer seine Heimat liebt, der kann doch gelassen bleiben.” Hier Bayern also, ein Bundesland, dort “der Osten” so differenziert wie eine homogene Landmasse. Dazu ist das Klischee bayerischer Gemütlichkeit nun einmal deutlich anders als „Abgehängtsein“.

Kurz:
Um noch einmal auf den Satz von Zeit-Kollege Machowecz zu sprechen zu kommen: Es gibt also inzwischen ein Ost/West-Gespräch – aber: Wer spricht hier wie über wen? Und von welchem „wir“ aus? Wer dominiert das Gespräch?

Das Nachdenken über Ost/West-Journalismus ist überfällig – und dann auch zu handeln. Ein ganz echter Ost/West-Arbeitsplatztausch ist eine erste niedrigschwellige Lösung. Denn was für manche Redakteur*innen nur Details sind, steht für eine mehrfache Ungleichheit: Ostdeutsche und ostdeutsche Themen sind in überregionaler Berichterstattung oft nur „mitgemeint“. Weil diejenigen, die diese Perspektiven einbringen und damit für gesamtdeutsche Diversität in den Medien sorgen könnten, in den entscheidenden Redaktionen oft nicht ausreichend vertreten sind (erste Zahlen dazu habe ich für Medium Magazin 04/2019 erhoben – bald auch hier zu sehen).

Neben der Tauschplattform, die hier entstehen wird, soll diese Seite auch eine inhaltliche Plattform bieten: um endlich – etwa auf dem Twitter-Kanal von ownsx – die vielen Beiträge und Debattenstücke zu bündeln, die darüber nachdenken, wie gesellschaftliche Diversität, Chancengleichheit und (mediale) Repräsentanz bei Ost/West-Journalismus zusammenhängen.

Drei Jahrzehnte nach Mauerfall und Wiedervereinigung ist das „echt spät dran“ – aber jetzt ist immer früh genug, etwas daran zu ändern.

Macht mit.
Es tut uns allen gut.

Oder sonst was loswerden? Dann hier entlang.